Autorenbegegnung: Kurt Lanthaler und Stefano Zangrando in Schloss Pienzenau

Um 17 Uhr geht es los: zum Abschluss der Crossover-Veranstaltungen der Sprachspiele 2012 findet in Schloss Pienzenau die Autorenbegegnung zwischen Kurt Lanthaler und Stefano Zangrando statt. Unter dem Titel Irrlichterei und Spurensuche begegnen sich die beiden Autoren und Übersetzer, die Moderation übernimmt der Eppaner Publizist Martin Hanni.

Lanthaler und Zangrando verbindet nicht ihre Herkunft sondern ihr Werdegang, ihr stets Reisen, ihre Berliner Erinnerungen und ihre Berufung als Übersetzer. Beide Autoren werden aus ihren neuen Erzählungen vorlesen, die sich einerseits mit einer vergessenen Episode aus der regionalen Geschichte beschäftigen, die Rede ist von der aktionistischen Störung der Gesellschaft durch den „Prädadaismus“ zur Jahrhundertwende in den Bergen Südtirols, deren einziger Vertreter Franz Held, der Vater von John Heartfield und Wieland Herzfelde war. Andererseits geht es auch um die Gegenwart, um das weit verbreitete Herumirren zwischen Peripherie und Zentrum, zwischen Provinz und Stadt, das auch schon in der Beranstaltung „Aufbruchsstimmung“ thematisiert worden war.

Rundschau: „von atelier zu atelier“

Zur Einstimmung in den Peripatos der Sprachspiele 2012 liest Schauspieler Oswald Waldner im Innenhof von Schloss Rametz Kurzprosa von Herzmanovsky-Orlando. Eine junge Frau auf der Bank im Hintergrund spielt Akkordeon. Es ist Nicoletta Pezzino, Musikerin und freie Lektorin. Autor Peter Oberdörfer steuert Zitate aus dem Tractatus von Wittgenstein bei.

Danach geht es weiter zu den Obermaiser Ateliers. Auf dem Weg durch die Arbeitsräume und Werkstätten von Margit Nagler, Elisabeth Oberrauch und weiteren 20 Ateliers, darunter Nazario Zambaldi und Jeannette Lampacher mit einem eigenen Programm, stoßen immer neue Leute dazu. Die Künstlerinnen und Künstler stellen ihre Arbeiten vor, die Autoren Peter Oberdörfer, Andrea Rossi, Oswald Waldner und die Autorinnen Anne Marie Pircher und Sonja Steger lesen aus ihren eigenen und anderen Büchern vor.

Waldner liest Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Oberdörfer beschränkt sich auf wichtige und weniger wichtige, aber dafür aufschlussreiche Sätze Ludwig Wittgensteins aus der Frühphase des Tractatus, mit Querverweisen auf sein Spätwerk „Über Gewissheit“. Dabei erörtert er auch die Frage nach der sprachlichen Qualität des Tractatus, der kurz, bündig und nummeriert daherkommt. Künstler Hannes Egger aus Lana hat dazu T-Shirts zum Tractatus gestaltet.

Andrea Rossi liest im Freiluft-Atelier von Margit Nagler aus seinem eigenen Oevre. Lesenswert ist ohne Zweifel sein jüngstes Buch Acquabianca, das vom Schicksal der italienischen Arbeiter in den Marmorwerken und Wasserkraftwerken von Laas erzählt. Es ist die Geschichte einer Gruppe von Menschen, die zum Arbeiten kamen und keine Integration erlebten. Jahrzehnte später sind nur noch ein Handvoll dieser ehemaligen ArbeiterInnen im Vinschgau anzutreffen. Rossi erfasst in seiner Erzählung die menschlichen Aspekte dieses Kapitels der Südtiroler Zeitgeschichte und zeigt unaufdringlich, dass die Differenzen tiefer liegen, als die polierte Oberfläche der herrschenden Diskurse vermuten ließe, dass sie vielmehr existentieller als sprachlicher oder ethnischer Natur sind.  So beleuchtet er kurz die Konflikte zwischen den unterschiedlichen Sprachgruppen und individuellen Lebensentwürfen in einer Zeit des Wandels. Sonja Steger steuert ein Gedicht aus ihrem Band „Keine Details“ bei. Den Abschluss bildet Wittgensteins Überlegung zu Menschen, die den Sinn des Lebens zu ergründen versuchen.

Anne Marie Pircher liest auf der Steinstiege im Atelier Oberrauch aus ihrem 2007 im Skarabaeus Verlag erschienenen Erzählband „Rosenquarz“, danach geht es weiter zu den Ateliers der Innenstadt.

Um 23 Uhr findet in der Sketch-Clublounge an der Promenade schließlich die Performance Paolo Menneas zu den Klängen von DJ Antonio Lampis statt. Die Stimmung ist gut, zur Abwechslung ist auch ein Bozner Publikum nach Meran gekommen, um dieses Event zu sehen. Der in London wohnhafte Meraner Zeichner und Grafiker Mennea hat darüber hinaus eine Ad-hoc-Ausstellung in dem Night-Club La Perla gestaltet. Eine Gelegenheit, nicht nur seine Bilder, sondern auch den Nightclub mal von innen zu sehen.

Wanderlesung im Spätsommer

Die Wanderlesung am Amcai Day verlief noch besser als erwartet. Erstens spielte das Wetter mit und verlinkte uns kurz mit dem Sommer. Zweitens kamen unerwartet viele Zuhörer. Drittens waren die Ateliers und Locations fantastisch, da habe ich Obermais mal aus einer anderen Perspektive gesehen. Ich wusste gar nicht, dass sich in den alten Gemäuern dort so viele Ateliers verstecken. Mehr zu den Schauspielern und Autoren, die aus ihren Werken vorlasen bzw. Auszüge aus Herzmanovsky-Orlando und Wittgenstein vortrugen, folgt in Kürze…

amaci day

In weniger als 3 h geht es los: Die literarisch-philosophische Wanderlesung mit dem Arbeitstitel Peripatos anlässlich des Amaci Day beginnt um 15 Uhr in Schloss Rametz.

Auf dieser wandelnden Lesung durch die Gärten, Plätze, Schlösser und Galerien Merans am Tag der zeitgenössischen Kunst besuchen die teilnehmenden AutorInnen, Vor-Leser und -leserinnenden samt Publikum die verschiedenen Galerien und Off-Spaces der zeitgenössische Kunst. Sie statten in situationistischer Manier den Künstlern und Künstlerinnen des Parcours „von atelier zu atelier“ einen Besuch ab und lesen zeitgemäße und unzeitgemäße Auszüge aus selbst gewählten Werken und Publikationen vor.

Lesen werden von atelier zu atelier unter anderem: Anne Marie Pircher und Sonja Steger, Peter Oberdörfer, Andrea Rossi und Oswald Waldner.

Zuckerbrot und Peitschenspiele

Gestern hat mich ein alter Freund aus Berlin angeskyped, der sich blogmäßig vor einigen Jahren Mek Wito nannte, danach Mequito und nun wieder Markus Pfeifer, Mek eben. Da ist mir eingefallen, dass Mek ja letztes Jahr unseren Sprachspiele Blog geschrieben, gepflegt und eingepflegt hat. 2012 kann er nicht dabei sein, weil er in Berlin eine neue Stelle hat, aber wir werden das ganze Material, das sich ansammelt, einfach auf den Blog laden für alle „Oriundi“, die weg sind oder wieder weg sind oder noch nie da waren und nicht dabei sein können.

In diesem Jahr laufen einige Oktoberveranstaltungen in Meran unter dem Dachbegriff kultur.herbst.meran, damit wir uns nicht wieder gegenseitig im Weg stehen. Letztes Jahr hatten wir so viele Parallelveranstaltungen, dass sich das Publikum bei manchen Tanz- und Musikereignissen irgendwann verflüchtigte und zu einem Spurenelement wurde. Meran braucht auch Publikum, nicht nur Veranstalter. Aber der Blog lief gut.

Ebendieser Mek skyped mich nun an und sagt, er könne nun erst Ende Oktober kommen, aber da dann nichts mehr los wäre, könne man ja ins Stadion zu einem Fußballspiel des  FC Südtirol gehen, der in der ersten Liga Pro Serie C1 spiele. Gegen Como. Vielleicht ist Clooney im Publikum. Aus Berlin kommen und ein Fußballspiel des FCS live anschauen, das ist ziemlich dekadent, sage ich ihm, das ist als wäre man auf der Suche nach seinen kulturellen Wurzeln fündig geworden und würde diese nun rosa ansprühen und an die Wand hängen, um mal zu sehen. Ob sie ausschlagen. Oder im Wind baumeln. Bekanntlich herrscht gerade spätrömische Dekadenz, das hoffe ich jedenfalls.

Oktober, es hat noch runde 25 Grad in Meran, die Sonne scheint, die Törggele Performance Days mit der Running Blunzen sind vorbei, die Photonights auch, alle sind in Lauerstellung, abwarten was passiert, history spotting, nur Mek Wito will ins Stadion und ein Fußballspiele sehen. Der neue Star des FCS heißt Baba Thiam, vielleicht dient Fußball ja wenigstens der Integration. Lässt sich dieser Mek für drei Tage integrieren? Wird er seine katholische Herkunft spüren und eine Madonnenerscheinung haben? Was solls, ich werde Mek und mir ein T-Shirt des FCS kaufen, das schwarze, nicht das in den Speckfarben – immer ist hier alles weiß rot – in L. Noch passt uns L, hoffe ich.

Hat Fußball, wie manch ein österreichischer Autor meinte, poetologische Qualitäten? Positiv vermerken kann man schon mal, dass dem Fußball ein stets ungeschriebenes und oftmals unvorhersehbares Drehbuch zugrunde liegt. Im Gegensatz zu den meisten Filmen, Feature, Fiction und Fernsehfilmen, ist das Drehbuch offen und spannend. Es muss niemand ermordet werden, damit danach meist motivationslos ein Fall aufgeklärt werden kann. Fußball ist archaisch und folgt wie alle archaischen Gepflogenheiten streng logischen Regeln, etwa physikalischen Raumkurven und akustisch auf- und abschwellenden Fankurven. Spannend. Da ist der tiki taka Ball. Das gilt natürlich auch für Synchronschwimmen, aber dort ist die unvorhersehbare Entwicklung mit bloßem Auge oft schwer zu erkennen. Und nächstes Jahr geht es zum Palio nach Siena. Nein, das nicht, Mek winkt ab. Vielleicht kommt er ja doch vorbei, zur Lesung von Zangrando und Lanthaler.

Aufbruchsstimmung – Resümee zum Gespräch im Kunsthaus Meran

Gerade die 1950er Jahre werden bei uns gern verdrängt, im Geschichtsunterricht mit einem Satz abgehakt und generell als langweilig abgetan. Damals musste alles neu aufgebaut werden, und die Mentalität des Ärmelhochkrempelns taugt nicht zur geschichtsträchtigen Erinnerung, es sei denn zur negativen Zuschreibung wie in Heinrich Böll. Das Bild, das auf die 50er Jahre fällt, lässt sich ungefähr so beschreiben: Die Aufarbeitung der kollektiven nationalsozialistischen Kompromittierung war noch kein Thema; die Leute waren vor allem arm und suchten nach seichter Muse; nach der Zerstörung durch Faschismus, Stalinismus und vor allem Nationalsozialismus hielt eine neue Prüderie Einzug, und so bestand die erste Aufarbeitungswelle darin, die profanen und rassistischen Werte der vergangenen Jahrzehnte abzustoßen, um sich auf wahre Werte zu besinnen; und auf der Suche nach neuen Werten besann man sich zunächst auf die alten Werte, also religiöse Werte und die Familie, das ist am einfachsten und schnellsten, die Biedermeierisierung der Gesellschaft kehrt ja als regelmäßiges Gespenst zurück; tout court, der Körperkult des arischen Nacktmodells, das kraft seiner Freude Bälle in die Luft warf und wieder fing, wich dem „anständigen Mädel“ der flunderflachen Nachkriegsklamotte. In den 50ern hieß es plötzlich „Luftsprünge“ oder „zwölf Mädchen und ein Mann“, Skistars wurden Filmstars, vergessene Jahre, vergessene Klamotten.

Aber wie war es nun wirklich? Die am Mittwoch anwesenden Zeitzeugen vermittelten – zumindest für Meran – ein anderes Bild. Die Leute – so Gigi Bortoli – hatten nicht viel und die Jungen wollten vor allem feiern und tanzen. Karriere war kein Begriff, es galt erst einmal einen Kühlschrank oder eine Wohnung mit Badezimmer zu erlangen. Und offensichtlich ging es auch darum, sich wieder zu unterhalten. Allein in der Innenstadt – so Bortoli – gab es fünf oder sechs Tanztempel, also sechs mehr als heute. Junge deutsche Soldatenwitwen aus Süddeutschland waren besonders beliebt bei den jungen Tänzern, darin waren sich die Zeitzeugen einig, und Italiener und Südtiroler mischten sich im nächtlichen Meran offenbar unter dasselbe Volk, während tagsüber das Misstrauen gegenüber der anderen Sprachgruppe bestehen blieb. Und mancherorts bis heute besteht.

Einen der interessantesten Aspekte brachte der Meraner Historiker Leopold Steurer ein, der wie üblich versiert und unterhaltsam zugleich den Abend bestritt. Es ging um die Situation der Presse in den 1950er Jahren. Steurer wies darauf hin, dass Meran nach dem Krieg auf deutschsprachiger Seite einen großen medialen Auftrieb erhielt, weil die noch besetzten und geteilten Länder Deutschland und Österreich zu jener Zeit keine freie Presse mehr besaßen, alles lief durch die Zensur der Alliierten, publiziert wurde wenig, und so wurde Meran neben der Schweiz plötzlich zu einem kulturellen Fokus. Natürlich zog diese „Freiheit“ – so Steurer – auch viele kompromittierte Journalisten an, darunter echte Nazis, es tummelte sich in jener Zeit offenbar so ziemlich alles in Meran, von Nazijägern bis Mengele. Doch davon, darüber waren sich die Zeitzeugen einig, haben die Südtiroler Landbevölkerung und auch viele Meraner nichts mitbekommen. Das Kulturleben wurde von den Italienern, die nach dem Nationalismus den Anschluss an den Internationalismus suchten, und von Ausländern deutscher und amerikanischer Herkunft geprägt.

Die deutschsprachigen Meraner und Südtiroler insgesamt hatten andere Sorgen, wollten den Tourismus ankurbeln, die Stadt wieder aufbauen. Und sie waren – so Bortoli – vor allem geprägt durch zwei faschistische Jahrzehnte des kulturellen Niedergangs. Eine ganze Generation konnte weder lesen noch schreiben, Kultur war beschränkt auf Volkstum und Bräuche, Prozessionen und Rumtata-Musik (wie Ewald Kontschieder gekonnt ausführte), mit anderen Worten, die Faschisten hatten den deutschsprachigen Südtirolern kulturell arg zugesetzt und dies zeigte sich bis in die späten 60er Jahre hinein. Dass die Südtiroler Anfang des 20. Jh. kosmopolitischer gewesen waren, daran darf man allerdings zweifeln (Anm. d. Red.).

Vittorio Cavini definierte daher den kulturellen Aufbruch nach dem Krieg folgerichtig als einen Aufbruch, der de facto von Anfang an eine Elite-Kultur war, von der die meisten nichts mitbekommen haben. Die „kulturelle Explosion“ – so Cavini ironisch – fand nicht etwa statt, als Ezra Pound nach Meran kam, sondern als sich das Gerücht verbreitete, Ezra Pound würde bald kommen.

Bei der deutschsprachigen Bevölkerung tat sich diesbezüglich gar nichts, die Reaktion der Bauern – so Rösch bereits vor der Veranstaltung – war eher „was will denn der Faschist hier?“. Auch hier gab es also einen klaren Bruch, der sich durch die Südtiroler Gesellschaft zog (wiewohl Meran eine Ausnahme darstellte, eine „liberale Insel“, so Rösch), denn der gesellschaftliche Bruch zwischen Transitland-Rückzugsland, Zentrum-Provinz, urban-rural, Bildungsbürgertum-Landbevölkerung verlief beinahe nahtlos entlang der italienisch-deutschen Sprachgrenze. Einzig die Verteilung der Besitzverhältnisse war diesem Bruch diametral entgegengesetzt, waren doch die Tiroler Bauern die besitzende Klasse, die Italiener hingegen das Gros der Stadtbevölkerung – eine fatale Mischung, die ab den frühen 1960er Jahren ihre ideologische und terroristische Sprengkraft entfalten sollte.

Rosanna Pruccoli vervollständigte das Bild, indem sie einen Rückblick in das offenbar weltoffenere Meran zur Jahrhundertwende mit seinen fünf Konfessionen vornahm, als Kafka und Lehar hier weilten, und indem sie mit einem kleinen Seitenblick auch auf die Entwicklung und den Niedergang des jüdischen Meran ausführlich über die Kunstschaffenden jener Jahre berichtete, nachzulesen in dem neuen Katalog „Perspektiven der Zukunft“.

Am Ende des überaus gelungenen Abends hatten die Gesprächsteilnehmer wie Gäste einen aufschlussreichen Abend erlebt, getrübt einzig durch die generelle Perspektive auf die Gegenwart und Zukunft 2012. In der Luft lag die Ahnung, dass sich im Grunde nichts verändert habe, immer noch dieselben Konflikte ausgetragen würden, immer noch dieselben Grenzen herrschten, Meran immer noch ein bundesdeutsches Altersheim sei, nur mit dem Unterschied, dass unter den jungen ZeitgenossInnen heute keine Aufbruchsstimmung herrscht.

Einige Gäste, darunter auch ich, waren hingegen glücklich darüber, dass die ganze Veranstaltung nonchalant in beiden Sprachen abgehalten wurde, deutsch und italienisch querbeet, ohne dass es irgendeiner Übersetzung bedurft hätte. Soweit sind wir also schon mal, zumindest in Meran.

Und nach der Veranstaltung erzählte mir der in Ferrara geborene Cavini, dass er seine Tochter schon vor über 40 Jahren in den deutschsprachigen Kindergarten gesteckt hätte. Italiener wie Deutsche hätten ihn damals für verrückt erklärt. „Und – frage ich ihn skeptisch, denn ich kenne auch misslungene Experimente der Immersion – wie ist es gelaufen? Hat es funktioniert? Spricht sie heute noch deutsch?“ Cavini lacht, sie hat Karriere im Wiener Burgtheater gemacht. Unter diesen Umständen, sage ich zu Cavini, spricht sie vermutlich besser deutsch als ich und die meisten meiner Landsleute.

Aufbruchsstimmung – Eckdaten zum Gespräch im Kunsthaus Meran

Die Diskussionsrunde am Mittwoch im Kunsthaus Meran wurde im Verlauf des Abend zunehmend zu einem spannenden Rückblick in ein vergessenes Kapitel der regionalen Geschichte. Dabei ging es um die zwei Nachkriegsjahrzehnte, um die merkwürdige Aufbruchsstimmung und das kulturelle Leben in Meran in den späten 1950er Jahren – von manchen als die „goldene Zeit“ des städtischen Kulturlebens an der Passer definiert, nachdem Ezra Pound, Vanni Scheiwiller und Peggy Guggenheim sich hier aufhielten.

Diskutiert wurde aber auch über den Katalog „Perspektiven der Zukunft“, der sich den Meraner Kunstschaffenden jener Zeit widmet, von Fellin über Kofler, Dall’Oglio, Plattner, Frühauf und Klaber-Thusek, die in künstlerisch-politischer Hinsicht absolute Avantgarde waren, ethnische Grenzen aufweichten und sprachgruppenübergreifend zusammenarbeiteten, angespornt durch kosmopolitische Mäzene und Katalysatoren des Kulturlebens wie Robert Du Parc, Emilio Dall’Oglio oder eben Peggy Guggenheim oder der umstrittene Ezra Pound.

Leben in die Diskussion brachte von Anfang an Vittorio Cavini, der als Überraschungsgast auftauchte und gebeten wurde, aufs Podium zu kommen und als Ehrengast teilzunehmen. Cavini, Zeitzeuge, Autor, Filmemacher und langjähriger Journalist bei den Tageszeitungen „Alto Adige“ und „Giorno“ sowie beim Rai Sender Bozen, steckte die anderen Teilnehmer und Zeitzeugen wie den Fotografen und Journalisten Gigi Bortoli, den Historiker Leopold Steurer und den Direktor des Touriseums Paul Rösch mit seinen Bonmots an. Am Podium waren außerdem Autor, Regisseur und Musikwissenschaftler Ewald Kontschieder sowie Autorin und Kuratorin Rosanna Pruccoli, beide zu jung, um Zeitzeugen zu sein.